In der Selbstoptimierungs-Falle: Wie uns Perfektions-Streben zerstört

Aus meiner Experten-Kolumne auf FOCUS-Online:

Burn-out-Gefahr:

In der Selbstoptimierungs-Falle:

Wie uns Perfektions-Streben zerstört

(Bild: Fotolia/ Adobe Stock: euregiocontent )

Mittlerweile streben viele Arbeitnehmer nach dem perfekten Lebenslauf. Dabei versuchen sie mit allen Mitteln, sich selbst immer weiter zu optimieren. Doch Vorsicht: Dieser Selbstoptimierungs-Wahnsinn kann Karrieren zerstören, bevor sie überhaupt beginnen.

 

Wie beendet man seine Karriere, noch bevor man sie richtig gestartet hat? Vielleicht so: Man folgt blind jedem Karriere-Ratschlag, verbringt möglichst viele Semester im Ausland, belegt jedes angebotene Zusatzseminar, lernt auf Klausuren bis es zur sicheren Eins reicht …

Ja mehr noch, man absolviert in allen Semesterferien Praktika und lernt möglichst viele Fremdsprachen bis man diese fließend beherrscht. Und das alles natürlich in der Regelstudienzeit … Ach was, am besten mit einer verkürzten Studienzeit, denn dies zeugt schließlich von großem Ehrgeiz …

Natürlich kann man all das machen. Aber man vergrößert dadurch nicht zwingend seine Job-Chancen. Wesentlich wahrscheinlicher startet man auf diesem Weg seinen direkten Sprung in den Burn-out.

 

Perfekt! Sie sind bald austauschbar!

Schon seit einer Weile könnte man meinen, dass viele Lebensläufe studiengang-übergreifend, sogar branchen-übergreifend immer ähnlicher werden. Die Bewerber gleichen sich an und werden dadurch nahezu stromlinienförmig. Dies scheint logisch, da heute jeder den Druck der Berufswelt schon ziemlich früh zu spüren bekommt.

Das Anpassen an die Wunsch-Kriterien der Arbeitgeber ist die vielleicht einfachste Strategie für eine schnelle Karriere. Natürlich landen auf diese Weise jeden Tag viele High Potentials in ihrem Traumjob.

Aber das Ganze hat einen gewaltigen Haken: Die persönliche Individualität bleibt auf der Strecke. In dem Augenblick, in dem sich alle stromlinienförmig angepasst haben, sind im Grunde genommen alle gleich. Gleich und damit austauschbar. Sie ahnen es bereits: Es gibt garantiert jemanden, der sich selbst noch mehr optimiert hat und Sie irgendwann ablösen wird. Das was Sie aber brauchen ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Nutzen Sie die SWOT-Analyse

Mein Tipp: Um dieses Alleinstellungsmerkmal zu identifizieren empfiehlt sich die Durchführung einer SWOT-Analyse. Listen Sie ihre persönlichen Stärken und Schwächen auf. Anschließend verknüpfen Sie diese mit den Chancen und Risiken Ihrer Wunsch-Branche. Der Punkt, an dem Stärken und Chancen einander begegnen, bietet das Potential für ein Alleinstellungsmerkmal. Das setzt allerdings voraus, dass man schon sehr früh an seinen Stärken arbeitet, anstatt sich dem Weg der perfekten Selbstoptimierung zu verschreiben. Indem man eigeninitiativ Referenz-Projekte schafft, kann man seinen eigenen Marktwert gut visualisieren und ganz gezielt am Aufbau eines Profils arbeiten.

Der Dr. Sheldon-Cooper-Effekt

Die Selbstoptimierung birgt jedoch noch eine weitere Gefahr, die bislang eher vernachlässigt wurde. Im Folgenden möchte ich dieses neue Phänomen als den „Dr.-Sheldon-Cooper“-Effekt bezeichnen.

Dieser Effekt bedeutet schlicht und ergreifend „Fachliche Perfektion provoziert menschliche Aggression.“ Exzellente Noten und ein großes fachliches Know-How können natürlich den Grundstein für eine steile Karriere bilden. Man muss aber immer bedenken, dass man im Berufsalltag mit gewöhnlichen Menschen zu tun hat und da schreckt so manche Perfektion eines zu ehrgeizigen „High Potential“ recht schnell ab. Jeder, der die Pro7-Comedy-Serie „The Big Bang Theory“ kennt weiß sicher ganz genau warum eine übereifrige Genialität nicht immer Sympathie einbringt. Dabei entscheidet gerade Sympathie wer einen Job bekommt oder eben befördert wird.

Mein Tipp: Wenn Ihr Lebenslauf und Ihre Bewerbungsunterlagen sauber ausformuliert sind, können Sie im Bewerbungsgespräch wesentlich bodenständiger auftreten! Nehmen Sie den Druck raus und nutzen Sie strategisches Story-Telling, um Sympathie-Punkte zu sammeln. Das bedeutet: Sie müssen Ihre Stärken und Erfolge in Geschichten gekleidet kommunizieren können. Für alle, die bereits im beruflichen Alltag sind gilt: Glänzen Sie nicht mit Theorie sondern durch Ergebnisse! Seien Sie aktiv, packen Sie mit an und punkten Sie mit Taten, die dem gesamten Team gut tun. Machen Sie das und andere werden Ihre Genialität loben! Und was Ihre Schwächen angeht… stehen Sie dazu! Bleiben Sie Mensch und akzeptieren Sie, dass niemand in allem perfekt sein muss …

 

Mythos Regelstudienzeit

Man sagt, immer wenn ein Student behauptet, er packe sein Studium in der Regelstudienzeit … stirbt irgendwo ein Student an Altersschwäche. Die Frage ist allerdings, ob man wirklich in der regulären Zeit fertig werden muss. Sicher gibt es einige Personalchefs, die darauf großen Wert legen. Vor allem jene, die ihr Studium selbst in der Regelstudienzeit absolviert haben. Hinzu kommen immer wieder Stories von begabten Studenten, die sogar versuchen die Studienzeit um mehrere Semester zu verkürzen, indem sie Prüfungen aus höheren Semestern vorziehen.

Allerdings: Es kann für die eigene Persönlichkeit durchaus prägend sein, wenn man den Druck rausnimmt und sich erlaubt ein Zusatz-Semester einzulegen. Zum Beispiel um verschiedene Gastvorlesungen zu besuchen, die zu den eigenen Interessen und Stärken passen. Oder um ein praktisches Projekt zu realisieren und sich selbst zu verwirklichen. Weitere Gründe dafür könnten aber auch Schicksalsschläge sein, die manchen vielleicht sogar zwingen eine Auszeit zu nehmen.

Mein Tipp: Wer ehrlich ist muss eingestehen, dass es hier kein „richtig“ und kein „falsch“ gibt. Das was zählt ist, dass man sich entscheidet und das logisch begründen kann. Dann ist es okay, wenn man eine Bonus-Runde einlegen möchte oder gar muss.

 

 Dieser Artikel erschien erstmals in Experten-Kolumne auf FOCUS-Online (07.08.2017): https://www.focus.de/finanzen/experten/selbstoptimierung-wie-perfektion-uns-zerstoert_id_7435151.html

 

 

Viele weitere Impulse für Deine Karriere sowie spannende Interviews mit Stars findest Du in meiner Experten-Kolumne auf FOCUS-Online:

https://www.focus.de/finanzen/experten/michael_t_wurster/

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